Mistelpräparate in der Onkologie

Die Mistel ist eine traditionelle Heilpflanze aus der Familie der Doldengewächse. Seit Jahrhunderten als Heilpflanze verwendet, rückte die Mistel zu Beginn des 20. Jahrhunderts erneut in den Vordergrund. 1904 erforschte der Anthroposoph Dr. Rudolf Steiner im Rahmen seiner Lehr- und Forschungsarbeit die Mistelpflanze. Die Zürcher Frauenärztin Ita Wegmann entwickelte mit dem Apotheker Adolf Hauser das erste Mistelpräparat zur Injektion und behandelte damit erstmals 1917 Tumorpatientinnen in ihrer Praxis.

Die Mistel wächst als Semiparasit auf verschiedenen Wirtsbäumen. Der Mistelbusch entwickelt sich dabei langsam, nach fünf bis sieben Jahren beginnt die Mistel erstmals zu blühen, nach insgesamt zwölf bis fünfzehn Jahren kann die Mistel geerntet und für die Verarbeitung genutzt werden. In der Tumortherapie findet nur die Weißbeerige Mistel (Viscum album L.) Anwendung, welche in Mitteleuropa auf Laubbäumen, Kiefern und Tannen vorkommt. Entsprechend den Wirtsbäumen wird die Mistel mit unterschiedlichen Nährstoffen versorgt, weswegen sich die Mistelpräparate in ihren Inhaltsstoffen je nach Wirtsbaum unterscheiden. Die wichtigsten Inhaltsstoffe der Mistelpräparate stellen Mistellektin und Viscotoxin dar. Mistellektine erreichen ihre höchste Konzentration im Winter in älteren Gewächsen, Viscotoxine dagegen im Sommer in jungen Blättern. Der Heilpflanze werden beruhigende, blutstillende, entzündungshemmende, harntreibende, krampflösende, verdauungsfördernde und schmerzlindernde Effekte nachgesagt.

Mistel



Das Ziel der Behandlung mit Mistelpräparaten ist die Verbesserung der Lebensqualität und des Allgemeinzustands von Patienten.

Mistelpräparate können zu einer Appetit- und Gewichtszunahme, einer Normalisierung des Schlafverhaltens, einer Reduktion der chronischen Müdigkeit (Fatigue), eine Verbesserung des Wärmempfindens, der Leistungsfähigkeit und der psychischen Gesundheit führen. Außerdem kann es zu einer Reduktion von tumorbedingten Schmerzen kommen. Mistelpräparate gelten in Deutschland nicht als verschreibungspflichtig und können folglich auch von Heilpraktikern eingesetzt werden. Jedoch sollte darauf geachtet werden, Mistelpräparate lediglich ergänzend zur schulmedizinischen Behandlung einzusetzen. Die Misteltherapie in der Onkologie kann dabei als Bestandteil einer ganzeinheitlichen Tumortherapie neben den schulmedizinischen Methoden wie Operation, Chemo-, Strahlen-, (Anti)Hormontherapie, Targeted Therapy angesehen werden. Die medizinische Wirksamkeit bzw. signifikante Verbesserungseffekte auf Lebensqualität und Überlebenszeit durch eine Misteltherapie konnten in methodisch einwandfreien Studien nicht dargestellt werden. In Studien mit positiven Ergebnissen wurden methodische Mängel erkannt.


Die Mistelpräparate in der onkologischen Behandlung werden als Injektionslösung subkutan (unter die Haut) zwei- bis dreimal wöchentlich gespritzt. Als Injektionsorte können der Oberarm, die Bauchdecke oder die Oberschenkelregion unterhalb des Beckens genutzt werden. Die Behandlung kann individuell eingestellt und auch nach der Tumortherapie in Absprache mit dem behandelnden Therapeuten noch weitergeführt werden.



Nach Injektion kann es als Zeichen einer Aktivierung des Immunsystems zu einer lokalen Hautreaktion mit Rötung, Schwellung, Juckreiz und Überwärmung um die Einstichstelle sowie erhöhte Körpertemperatur bis zu 38 °C kommen. Diese Lokalreaktion kann sich im Laufe der Misteltherapie abschwächen oder gar einstellen. Reaktionen überdies hinaus werden als Nebenwirkung angesehen und erfordern ein Eingreifen des Therapeuten mit Dosisanpassung oder Absetzen des Präparats. Weitere selten auftretende Nebenwirkungen können allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Veränderungen des Blutdruckes und der Herzfrequenz, Halluzinationen und eine Leukozytose (Verminderung der weißen Blutkörperchen) darstellen. Insgesamt werden Mistelextrakte als gut verträglich beschrieben. Nicht angewendet werden sollte das Mistelpräparat bei bekannter Allergie gegen das Produkt, bei akuten fieberhaften Entzündungen, bei akuten Autoimmunerkrankungen, bei immunsuppressiver oder immunmodulierender Therapie sowie bei einer Schilddrüsenüberfunktion mit erhöhter Herzfrequenz. Die Anwendung von Mistelpräparaten bei immunmodulierender Therapie und bei Tumoren des Immunsystems (bspw. Leukämie, Lymphom) wird diskutiert, da nach aktueller Grundlagenforschung Zellen des Immunsystems nach ihrer Aktivierung durch Mistellektin auch das weitere Wachstum von Zellen stimulieren können. Bei Tumoren des Immunsystems und immunmodulierender Therapie sollten daher keine Mistelpräparate eingesetzt werden.


In Deutschland sind mehrere Mistelpräparate als Heilmittel im Handel. Diese unterscheiden sich zum einen in dem Erntezeitpunkt der Misteln, dem Mischungsverhältnis der Ernten sowie der anschließenden Verarbeitung (fermentierte/unfermentierte Mistelpflanzen). Entsprechend der jeweiligen Unterart der Wirtsbäume werden dabei auch verschiedene Mistelextrakte unterschieden. Das Mistelextrakt A (= Abies) stammt von der Tanne, M (= Malus) vom Apfelbaum, P (= Pinus) von der Kiefer, Qu (= Quercus) von der Eiche und U (= Ulmus) von der Ulme. Die Anwendung der Mistelextrakte erfolgt spezifisch je nach Tumorart.

Alle erlauben Nur notwendige Bitte wählen Sie eine Option zur Verwendung von Cookies . Weitere Informationen finden Sie hier